Einen Titel trägt diese Ausstellung nicht, aber wie ein roter Faden ziehen sich die Themen Gefühle, Leidenschaft und Farbe durch die Bilder. Es sind abstrakte Kompositionen, und vielleicht sind in solchen Ausdrucksformen Gefühle besser zu artikulieren als in gegenständlichen Themen. Trotzdem erinnert uns die Karlsruher Künstlerin Gudrun Wörner-Rickelt, die nicht nur Geschichte und Kunst studiert hat, sondern auch bei Prof. Rainer Küchenmeister an der Karlsruher Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, an Bilder, Situationen oder Eindrücke, die auch wir in unserem Dasein erleben können.

In verschiedenen Techniken probiert sie diesen Ausdruck aus, somit haben wir weitgehend expressive bzw. expressionistische Malerei vor uns, teils im engeren Sinne als Grafik auf Papier oder als Gemälde auf Leinwand.

Beginnen wir nun einen visuellen Rundgang durch die Ausstellung und starten wir mit dem Motiv der Einladungskarte: es ist eine Gouache auf Aquarellpapier. Gouache ist eine Malerei mit deckenden Wasserfarben im Gegensatz zur lichtdurchlässigen Aquarellmalerei. Wie gut tun uns in der dunklen, kalten Jahreszeit, wenn die Tage immer kürzer werden, nun dieses Farben. Wir denken bei den Grüntönen sofort an die Natur, an die zarten Pflanzen und Blätter, die durch das Sonnenlicht zum Vorschein kommen. Vermeinen wir in den Strukturen vielleicht auch kahle Bäume und Äste zu erkennen? Oder ist es ein Schriftzeichen? Und wie passt das leuchtende Rot zu dem Ganzen? Ist es eher eine Eruption, ein Ausbruch nach oben? Vielfach übermalt liegen die Malschichten übereinander, klare, weiße Schichten und Schleier durchmischen sich bei vielen Bildern wie ein Lichtschein durch die Farben. Kleinere Strukturen und Farbpartien scheinen gelegentlich auf. Viel können wir in solch einem Bild erkennen, aber die Künstlerin möchte lieber die Farben konzentriert auf ihren emotionalen Gehalt wissen: das Rot für starke Gefühle, in Verbindung mit Grün nur eine Erinnerung an Blumen, die – so gesehen – auch ihre Bedeutung haben.

In diesem Zusammenhang stehen auch die drei Werke „Große Gefühle“ 1-3, Gouachen auf Büttenpapier, stark von Rot- und Gelbtönen bestimmt und noch kräftiger als das Titelmotiv, von schwarzen, astartigen Strukturen durchzogen, ja fast durchfurcht, eben so, als ob uns bei schönen, guten Gefühlen und Erlebnissen jemand einen Strich durch die Rechnung machen will. Die Spannungen im menschlichen und zwischenmenschlichen Leben bekommen hier eine Ausdrucksform.

Berührend und ansteckend sind die Bilder von Gudrun Wörner-Rickelt, die mit ihren stark farbigen Bildern etwas Licht und Freude und Hoffnung nicht nur in eine dunkle Jahreszeit sondern auch in unsere Zeit voller Ungerechtigkeit, Nöte und Bedrohung bringen möchte. Eine künstlerische Umarmung sozusagen.

Drei Kompositionen in Acryl auf Leinwand scheinen auf den ersten Blick abstrakte Farbfeldmalereien zu sein. Trotzdem liegen differenziert mehrere Farbschichten übereinander, Farbflächen sind durch den Farbauftrag strukturiert. Auf dem mittleren, „Blau fallend“ mit Titel - wobei diese Titel oft nur Hinführungen und Zugangshilfen zum Abstrakten ermöglichen – vermeinen wir vage eine Landschaft zu erkennen. Das Blau liegt schwer und dunkler werdend, fast sich ausbreitend und verschlingend über den unteren tonigen Strukturen, die sich dagegen zu wehren scheinen. Etwas Dunkles liegt über dem menschlichen Bereich, sogar eine Bewegung wird angedeutet. Ebenso in den daneben hängenden Bildern: links ein eher leichtes, duftiges Gewölk, das wie flüchtige Sternschnuppen gespachtelt und gewischt ist, denn die Künstlerin probiert gern Techniken und Kombinationen davon aus, die immer wieder zu überraschenden Ergebnissen führen. Ganz rechts ein fast architektonisch gefügtes Farbflächenbild, das aber beim näheren Betrachten verschwimmt und instabil wird, auch hier ist Dynamik zu spüren. Wie eine abstrahierte Blume – eine Herbstzeitlose mit Herbstfarben – wächst dann organisch ein Gebilde heran, das sich nach oben in hellen Farben fortsetzt.

Es folgen zwei bzw. fünf neueste Bilder in hellen Holzrahmen, Experimente in Eitempera auf Leinwand, die mit dem breiten Spachtel aufgetragen, einen verschwimmenden und gleichzeitig glatten Farbauftrag ermöglicht, Bewegungen des Körpers direkt umsetzt in schwingende, wellenförmige Partien. Entweder in Blau-Grün-Gelb gehalten und deshalb auch dem großen Vincent van Gogh gewidmet oder Rot-Gelb mit Schwarz durchzogen. Auch hier sind Farben wieder Stellvertreter für Gefühle, starke Emotionen und Gefühlsausbrüche. Die Kompositionen erinnern an den französischen Maler Pierre Soulages, den man dem abstrakten Expressionismus zuordnen kann und der v.a. in seinen späten Arbeiten stark reduzierte Werke mit kraftvollen Zeichen schuf. Auch an die vier Elemente erinnern die Bilder von Gudrun Wörner-Rickelt etwa mit dem Rot-Gelben Vulkanausbruch, der Feuer, Erde und Luft miteinander vereint und mit einem schwarzen Hieb ein skripturales Element hinzufügt. Das Blau-Grüne Pendant erinnert in seiner vehementen Durchmischung an die großen Herbstmeere eines Emil Nolde, der diese Naturphänomene genial auch als Ausdruck des menschlichen Lebens zu Papier und Leinwand brachte.

 Ebenfalls an die abstrakten Herbstmeere erinnern die kleinen Formate in dieser Ausstellung: sechs Eitemperamalereien auf Leinwand bzw. vier auf Aquarellkarton. Diese oft auch Abdrucke der Leinwandbildern, somit spiegelverkehrt, und anschließend noch überarbeitet, was die Genese kaum mehr erkennbar macht. Auch hier starke Gefühle in kostbaren Miniaturen, starke Farben in erstaunlichen Kombinationen. Gelegentlich schimmert eine Reminiszenz an japanische Tuschezeichnungen durch, Erinnerungen an Traumlandschaften und Seelenlandschaften.

Dazu passen zum Schluss die „Wild dreams“, die wilden Träume, die auch wilde Blumen sein können, rundliche, farbenfrohe, oft kraftvoll konturierte Formen, die sich ineinander zu verdrehen scheinen. Unser Auge scheint in der Gesamterscheinung auch eine neue Figuration zu erkennen.

Passend auch dazu das extra stehende Gemälde, nur aus kräftigem Rot und den Nicht-Farben Weiß und Schwarz gebildet. Eine Fortführung des Großen Mohns von Nolde erscheinen uns hier zwei riesige Mohnblumen – rein in Farbflächenmalerei – mit ihren schwarzen Früchten. Somit entsteht ein Verwirrspiel, ein Vexierbild: sind nicht die beiden Blüten auch ein rot, voll Liebe glühender weiblicher Torso?

Gudrun Wörner-Rickelt möchte mit ihren emotionalen, wunderbar farbigen und lichtvollen Bildern vielleicht einen Funken Liebe in die Welt bringen, um sie etwas menschlicher zu machen und um damit das Dunkel daraus vertreiben.

Lassen Sie alle sich dadurch anstecken und haben Sie viel Freude beim Nachspüren und Betrachten der Bilder.

 

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